Camping in der Ukraine

Als die gut 6000 Fans der schwedischen Fußballnationalmannschaft im Juni vergangenen Jahres nach ihrer langen und beschwerlichen Reise endlich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, mit ihren knapp 3 Millionen Einwohnern angekommen waren, und dort im von der lokalen Stadtverwaltung vielfach beworbenen und für stolze 300 Euro pro Kopf gebuchten Camping-Areal „Little Sweden“ während der drei Gruppenspiele ihres heiß geliebten Teams „Blågult“ Quartier beziehen wollten, staunten sie – gelinde gesagt – ob der doch sehr rustikalen bis teilweise nicht vorhandenen Ausstattung ihrer Unterkunft am Ufer des Dnepr zu Fuße der Truchanow-Insel zunächst nicht schlecht. Schnell gingen die Bilder einer mehr oder weniger komplett vermüllten Zeltstadt, mit unzumutbar unhygienischen sanitären Anlagen, einem von Scherben übersäten Strand, sowie teils offen liegenden Starkstromkabeln durch die höhnische internationale Presse. Beschwichtigende Verlautbarungen ukrainischer Regierungsstellen wurden von den meisten Ukrainern selbst eher beschämt und kopfschüttelnd, von den schwedischen (und anderen EM-Gästen) größtenteils schicksalsergeben und humoristisch gesehen. Nichtsdestotrotz freundeten sich die schwedischen Fans – wohl nicht zuletzt aufgrund der für skandinavische Verhältnisse geradezu märchenhaft niedrigen Alkoholpreise – umgehend mit den in dieser Form nicht wirklich erwarteten Verhältnissen vor Ort an und schwärmten im Nachhinein noch lange von der herzlichen ukrainischen Gastfreundschaft, dem authentischen Ambiente im Camp und der ihnen überall von den Hauptstadtbewohnern entgegen gebrachten Hilfsbereitschaft während des Turniers.

Oft spartanisch aber meist sympathisch, häufig sehr günstig und fast immer nett

Diese kleine Anekdote verdeutlicht nach Meinung vieler Ukraine-Urlauber mit Campingerfahrung recht deutlich die grundlegenden Charakteristika eines Campingaufenthaltes in dem mehr als 600 000 km² großen osteuropäischen Land, welches mit seinen altehrwürdigen und sehr sehenswerten Städten wie etwa Kiew, Lemberg, Odessa, Jalta, Tschernihiw, Sewastopol und Dnepropetrovsk sowie zauberhaften Naturlandschaften auf der Halbinsel Krim, an der Schwarzmeerküste, am Asowschen Meer, in den bewaldeten Karpaten und im Donaudelta zwar zahlreiche Sehnsuchtsziele für mittel- und westeuropäische Campingurlauber, jedoch nicht immer den gleichen Komfort und die sonst als selbstverständlich gewohnte Infrastruktur auf seinen Campingplätzen zu bieten hat. Mehr als wettmacht diese technischen Unzulänglichkeiten beispielsweise in Form von nicht fließendem und/oder lediglich kaltem Wasser, Plumsklos in Bretterbuden und meist nur sehr spartanischen gastronomischen Einrichtungen auf den Plätzen nach Ansicht und Erfahrungsschilderungen von Campern jedoch vor allem die oben bereits erwähnte ausgesprochen ausgeprägte ukrainische Gastfreundlichkeit, und natürlich auch die tatsächlich und immer noch sehr günstigen Preise für Kost und Logis sowie für Benzin, Besitzer von Wohnmobilen auf der Rundreise durch die Ukraine sollten jedoch den mitunter katastrophalen Zustand vieler Straßen mit großen Schlaglöchern berücksichtigen. Auffällig an ukrainischen Campingplätzen sind vor allem auch ihre großen qualitativen Unterschiede. Während viele Anlagen gerade noch Hotelparkplätzen mit Stromanschlüssen an der Hauswand gleichen, zeichnen sich einige wenige Areale durch erlesene Ausstattung mit jedoch spürbar höheren Preisen aus. Wer jedoch angesichts der vorherrschenden Einfachheit der ukrainischen Campingplätze lieber gleich mit seinem Schlafsack in seinem Wurfzelt, unter der Strandmuschel oder mit den Liegen im Pavillon in freier Natur übernachten möchte, kann auch dies fast überall tun. Durchaus empfehlenswert ist allerdings bei den Grundstücksbesitzern vorher um Erlaubnis zu fragen. Diese wird im Allgemeinen aber umstandslos und freundlich gewährt. Wurfzelte kann man auch fast immer in der Nähe der Strände aufstellen, auch hier sollte man sich jedoch im Vorneherein über eventuelle Verbote informieren.

Planung, Ausrüstung und Sprachen; Essen, trinken und Sicherheit

Grundsätzlich ist für Camping-Anfänger (wie für alte Hasen) die Ukraine gleichermaßen empfehlenswert. Empfehlenswert ist übrigens auch, die möglichst komplette und vorausschauende Mitnahme aller für den gelungenen Campingurlaub notwendigen Utensilien, da Camping in dem Land mit Ausnahme der Schwarzmeerküste (noch nicht) überall allzu verbreitet und populär ist. Deshalb kann es u.U. schwer werden zum Beispiel einen vernünftigen Schlafsack, eine einfache Strandmuschel, stabile Wurfzelte und Heringe sowie anderes Outdoorequipment zu akzeptablen Preisen zu finden. Manchmal wird sogar zum Kauf von deutschem Toilettenpapier vorab geraten, da das ukrainische angeblich eher einem gröberen Schleifpapier gleichen soll. Auch einige rudimentäre russische Sprachkenntnisse können sehr hilfreich sein. Zwar verstehen und sprechen jüngere Leute in den größeren Städten mittlerweile durchaus auch Englisch, ältere Menschen auf dem Land in der Regel jedoch nicht Selten wird dort allerdings auch noch Deutsch gesprochen und verstanden. Wasser sollte man im ganzen Land tunlichst nicht aus dem Hahn, sondern nur aus den in den weitverbreiteten „Produkte“- oder „Magasin“-Läden erhältlichen 5- oder 6-Literflaschen trinken. Nahrungsmittel sind in den Städten preiswert und problemlos in den großen Einkaufszentren, unterwegs auch an den vielen Straßenständen unter einem Pavillion zu erwerben, wo Omas und Opas ihre kleine Rente mit dem Verkauf etwa von Obst, Gemüse und Honig ein wenig aufbessern. Camping-Anfänger, die das erste Mal auf einem ukrainischen Campingplatz übernachten, sind auch oft über das fast immer mit Pistolen oder Flinten bewaffnete und gerne martialisch gekleidete dortige Sicherheitspersonal überrascht. Das gehört aber gewissermaßen auch ein wenig zur regionalen Folklore und muss nicht zwangsläufig auf eine besonders gefährliche Gegend oder Umgebung hinweisen. Vielmehr gilt die Ukraine eher als ausgesprochen sicheres Reiseland.

Schutz vor Sonne und Mücken, Warnung vor Wodka und Politik

Außer einem Schlafsack, einem Wurfzelt und ggf. auch bequemen Liegen kann man sich auch einen handlichen Grill zur Selbstversorgung mit in die Ukraine nehmen, Holzkohle ist an Tankstellen und in Baumärkten günstig erhältlich, allerdings sind die Preise für mehrgängige Menüs auch in etwas besseren Restaurants mit Preisen um die 10 Euro inklusive mehrerer Getränke pro Person nach wie vor sehr günstig, sodass man sich um das leibliche Wohl auf die eine oder andere Weise eigentlich keinerlei Gedanken machen muss. Etwas bedenken sollte man hingegen die speziell im Sommer sehr intensive Sonne, ausreichend starke Sonnencremes und geeignete Kopfbedeckungen sollten im Reisegepäck genauso wenig fehlen, wie ein effektiver Schutz vor Mücken. Speziell im Donaudelta können die kleinen Blutsauger manchmal sehr lästig und aufdringlich werden. Als aufdringlich könnte mancher auch die schwer abzulehnenden Einladungen auf einen Wodka empfinden, die von Ukrainern häufig gegenüber Gästen ausgesprochen werden. Wer sich dem entziehen möchte, verweist am besten auf leichte gesundheitliche Probleme, die momentan keinen Alkoholkonsum erlauben. Auf öffentlichen Plätzen ist dieser übrigens offiziell verboten, auch die staatliche Grenze von null Promille im Straßenverkehr sollte tunlichst ernst genommen werden. Zuwiderhandlungen werden schnell mit Freiheitsstrafen geahndet. Ähnlich verhält es sich mit dem Tabakkonsum, der in allen öffentlichen Einrichtungen untersagt, und nur in den Raucherräumen von Restaurants, Kneipen und Bars gestattet ist. Trotz ihrer Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit gegenüber Besuchern legen die Ukrainer doch auch großen Wert auf gewisse Umgangsformen. So werden Frauen nicht mit einem Handschlag begrüßt und man gibt auch nie die Hand über eine Türschwelle hinweg. Zwecks Vermeidung von Unglück pfeift man nicht in geschlossenen Räumen und wer das Land auch nur scherzhaft mit dem Nachbarn Russland gleichsetzt, hat auch bei dem geduldigsten Ukrainer ganz schnell jeglichen Kredit und sämtliches Wohlwollen eingebüßt.